Josanne Verdonk

Interview mit Josanne Verdonk, CHRO GrandVision über Lernagilität

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Fokus auf Lernagilität

Interview mit Josanne Verdonk, CHRO GrandVision über Lernagilität

„Mein Motto lautet: einfach machen“

Josanne Verdonk war als Rednerin anwesend auf dem Lernagilitätsseminar 2018. Als CHRO von GrandVision erläutert sie, wie und warum die Lernagilität eine bedeutende Rolle in einer internationalen Belegschaft spielt und welche Auswirkungen auf die Mitarbeiter man ein Jahr nach Einführung des Konzeptes feststellen kann.

Josanne hat einen traditionellen HR-Hintergrund. Sie studierte Steuerrecht und arbeitete fünf Jahre lang als Beraterin (für die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung) bei Deloitte, bevor sie ihre Tätigkeit im Team für Vergütungen und Leistungen bei TomTom begann. GrandVision, eine global operierende Kette von Optiker-Geschäften, profitiert davon, dass sich Josanne im Laufe ihrer Karriere schon häufig mit internationalen HR-Aspekten befasst hat. Zunächst war sie bei GrandVision für die Prämien der Geschäftsführung zuständig. Sie bearbeitete hauptsächlich die 200 höchsten Angestellten des Unternehmens. Anschließend wurde sie zur HR-Direktorin für die Hauptgeschäftsstelle ernannt. Seit Juni 2018 ist sie CHRO und Mitglied des Managementteams von GrandVision. GrandVision ist an der Amsterdamer Börse notiert und hat weltweit fast 40.000 Angestellte.

Die Kette besteht aus zahlreichen lokalen Unternehmen. Ihr gehören die niederländischen Optiker-Geschäfte Pearle Opticiens und Eye Wish sowie 25 andere Firmen in mehr als 40 Ländern. Es handelt sich um eine Matrixorganisation. Das heißt, dass die lokalen Unternehmen dezentralisiert sind und über eine Reihe von zentral geleiteten Funktionen verfügen. Alle lokalen HR-Direktoren sind dem lokalen CEO und in funktionaler Hinsicht auch Josanne unterstellt. In ihrer neuen Funktion als CHRO untersucht Josanne gerne zusammen mit den lokalen Abteilungen, welche Maßnahmen getroffen werden müssen und trifft Entscheidungen nicht ausschließlich auf zentraler Ebene: „Wie können wir zusammenarbeiten, um lokal eine möglichst große Wirkung zu erzielen?“

Mitarbeiteranwerbung

Als Josanne bei GrandVision begann, wurden die Mitarbeiter noch häufig von den Unternehmen selbst angeworben. Auch bei GrandVision sah man allerdings die schnellen Veränderungen im Markt, auf die eine große internationale Organisation reagieren muss. Das erforderte eine andere Herangehensweise. Man brauchte Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen verändern können, anstatt Leute einzustellen, die nur für den aktuellen Job geeignet sind. Als Josanne ihre neue Stellung als HR-Direktorin bekam, musste sich das ändern. „Seit einem Jahr führen wir bei der Einstellung zwischen dem ersten und zweiten Gespräch Lernagilitäts-Assessments durch. Das Ergebnis entscheidet, ob ein Bewerber im Verfahren weiterkommt.“ Das ist natürlich nicht immer ganz einfach, denn die Bewerber müssen jetzt nicht nur das Anforderungsprofil, sondern auch die Ansprüche im Bereich der Lernagilität erfüllen. Schließlich ist es für ein Unternehmen wichtig, die offenen Stellen so schnell wie möglich zu besetzen. Zum Glück sind auch die Manager der betreffenden Abteilungen immer überzeugter davon, dass es sinnvoll ist, die Lernagilität der Bewerber zu messen.

Wenn zukünftige Mitarbeiter ein Assessment durchlaufen müssen, sollten die Ergebnisse der Organisation nicht nur Aufschluss darüber geben, was für Menschen man einstellt. Indem man die Lernagilität der zukünftigen Angestellten misst, erfährt man als veränderndes Unternehmen darüber hinaus Wissenswertes über ihre Manövrierfähigkeit. Es ist bekannt, dass Mitarbeiter, die bei der Lernagilität eine hohe Punktzahl erzielen, mehr aus neuen Situationen lernen und diese Kenntnisse in der Zukunft auch anwenden können. Das sind die Mitarbeiter, auf die eine Organisation in der Zukunft bauen kann.

„Mein Motto lautet: einfach machen“

Talent entwickeln

GrandVision setz neben der Lernagilität noch weitere Assessments ein, um das Potenzial im Unternehmen zu untersuchen. Josanne: „Um Innovationen und Veränderungen durchsetzen zu können, braucht man auf allen Unternehmensebenen Leute, die über Potenzial verfügen.“

Sie möchte gerne einen Talentpool für Manager mit großem Potenzial einrichten: „Das ist eine unserer Prioritäten.“ Außerdem werden verschiedene Assessments, wie beispielsweise Lernagilität und 360 Feedback, bei der Aufnahmeprüfung für Leadership-Programme für alle Führungskräfte eingesetzt. In einigen Schulungsprogrammen werden diese von den Schulungsleitern als Leitfaden verwendet.

Eine andere wichtige Priorität innerhalb der Organisation ist die Entwicklung von Management Development und Leadership Development. Die richtigen Leute einstellen, wissen, wo das Talent ist, für Entwicklung sorgen, über Entwicklungsfortschritte auf dem Laufenden bleiben und diese effektiver nachverfolgen können. „Was ist eigentlich Potenzial? Worum geht es dabei? Darüber kann man diskutieren: sollte man diesen Aspekt aus lokaler oder aus globaler Perspektive betrachten?“ Das Messen der Lernagilität bietet eine Lösung für die Objektivierung von Potenzial, einen Eichpunkt für ein Gespräch sozusagen. Manchmal sorgen die Ergebnisse für Überraschungen: zum Beispiel, wenn ein Mitarbeiter ein gutes Ergebnis bei der Lernagilität erzielt, obwohl das in der Praxis nie aufgefallen ist. „Es ist interessant, solche Informationen näher zu untersuchen. In einem solchen Fall ist es beispielsweise möglich, dass jemand besser in einer anderen Position aufgehoben wäre.“ Damit dient das Assessment der Lernagilität auch als Hilfsmittel, um die richtigen Leute so effektiv wie möglich an der richtigen Stelle einzusetzen.

Handhabe

Wie wendet man die Lernagilität in einer so großen Organisation an? Zurzeit werden in mehreren Ländern unterschiedliche Assessments eingesetzt, um das Management auf sein Potenzial hin zu testen. Die lokalen HR-Direktoren unterstützen die Initiative, denn auch ihnen ist klar, dass sie auf diese Weise sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene einen besseren Überblick über das vorhandene Potenzial erhalten. Sie sehen ein, dass es sinnvoll ist, in verschiedenen Ländern denselben Test durchzuführen. Ein Lernagilitäts-Assessment bietet ihnen eine praktische Handhabe, um zu untersuchen, wo sich die guten Führungskräfte auf internationaler Ebene im Unternehmen befinden. „Bisher sehen wir international eigentlich keine großen Unterschiede. Die Vorgehensweise unterscheidet sich international jedenfalls nicht: es geht überall um Menschen und ihre Entwicklung, um Dialog und Engagement.“ Auch wenn man zwischen den einzelnen Nationalitäten kleine Unterschiede feststellen kann, werden alle Mitarbeiter an einer internationalen Normgruppe gemessen und in den Ergebnissen sind bisher keine großen Differenzen zu erkennen.

In erster Instanz werden vor allem das Management und die Mitarbeiter der Zentrale getestet, aber in einigen Ländern werden die Assessments auch für die Mitarbeiter in den Geschäften genutzt. Sie sind immerhin das Aushängeschild der Organisation und Veränderungen müssen hauptsächlich in diesen Schichten stattfinden. Vorläufig sind erst einmal die Filialleiter an der Reihe.

Josanne befasst sich hin und wieder auch noch mit den Assessment-Ergebnissen, wie denen des Managements in Peru. Der neue CEO vor Ort möchte sein Team gerne weiterentwickeln und die Assessments bieten ihm ein sinnvolles Hilfsmittel dafür. Josanne kniet sich gerne gemeinsam mit dem Managementteam in die Berichte: wie kann man für die weitere Entwicklung sorgen, wie kann man die Personalbeschaffung anders organisieren? Sie hat aber auch immer noch Freude daran, die Resultate eines Lernagilitäts-Berichts mit der getesteten Person persönlich zu besprechen.

Selbstreflexion

Josanne hat ihre eigenen Berichte auch anderen gezeigt, in dieser Hinsicht ist sie sehr transparent. Weil ihre Stärken und Schwächen von den Ergebnissen bestätigt wurden, konnte sie diese effektiver in Angriff nehmen.

„Als Organisation sind für uns natürlich gute Ergebnisse in den Bereichen Veränderungsagilität und Ergebnisagilität wichtig, aber wir legen auch sehr großen Wert auf die Selbstreflexion. Dabei darf es eigentlich kein negatives Resultat geben. Die Leute müssen sich weiterentwickeln wollen. Zurzeit gehen wir bei der Einstellung besonders streng vor, wir erwarten im Grunde, dass Bewerber in mindestens zwei Bereichen ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielen. Ein Kandidat darf also nicht in allen vier Domänen der Lernagilität unter dem Durchschnitt liegen und im Bereich Selbstreflexion darf er kein negatives Resultat haben.“

Die Manager bekommen Hilfe, um mit den Assessments zu arbeiten und lernen, wie sie den Test lesen und den Mitarbeitern erklären müssen. Josanne hat zusammen mit den HR-Geschäftspartnern mehrere Manager ausgebildet. Diese Schulungen vereinfachen es den Führungskräften, die Assessment-Ergebnisse zu verstehen und diese mit den Mitarbeitern zu besprechen. Außerdem begreifen sie nachher besser die Bedeutung der Lernagilitäts-Messung und können auch damit arbeiten. „Mein Motto lautet: einfach machen und in der Praxis umsetzen. Wenn man eine Idee hat, sollte man sie ausarbeiten. Dabei sollte alles ein bisschen flott vonstattengehen.“

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